Nach Daimler spricht sich auch der VW-Konzern gegen das umstrittene Kältemittel R1234yf aus. Dies sagte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech im Interview mit der "Autobild".
Wolfsburg/Stuttgart. Der VW-Konzern hat dem umstrittenen Kältemittel R1234yf abrupt den Rücken gekehrt und folgt damit als erster Autohersteller dem Vorbild von Daimler. "Das richtige Kältemittel ist CO2. Das brennt garantiert nicht. Bis das kommt, verwenden wir das bewährte Mittel R134a weiter", kündigte Ferdinand Piech, Aufsichtsratschef des Wolfsburger Autobauers im Interview mit der "Autobild" an.
Daimler hatte Ende September die überraschenden Ergebnisse eines selbst entwickelten Crash-Tests präsentiert: Dabei entzündete sich das chemische, auf Fluor-Verbindungen basierende Kältemittel R1234yf und setzte giftige Flusssäure frei. Der Stuttgarter Autohersteller betont, dass sich der Test auf Knopfdruck mit dem gleichen Ergebnis wiederholen lässt. Aufgrund des hohen Risikos will Daimler das Mittel nicht wie geplant verwenden und stattdessen das alte R134a einsetzen. "Wir freuen uns, dass VW uns bei der Einschätzung des Risikos durch das neue Kältemittel folgt", so die Stuttgarter.
Mit den kurzfristig präsentierten Testergebnissen und dem angekündigten Ausstieg hatte Daimler die globale Autobranche, die Behörden und die weltweit einzigen Zulieferer, die Chemie-Konzerne Honeywell und DuPont, vor den Kopf gestoßen. Seit dem 1. Januar 2011 verbietet eine EU-Richtlinie den Einsatz des bislang genutzten Treibhausgases Tetrafluorethan (R134a) in neuen Pkw-Typen. Ab 2017 gilt das Verbot für das klimaschädliche Mittel für alle Neufahrzeuge. Nach jahrelangen Diskussionen hatte sich die internationale Autoindustrie auf das klimafreundliche Kältemittel R1234yf geeinigt. Sein großer Vorteil: Es kann ohne Aufwand in bestehende Klimaanlagen eingefüllt werden. Während Umweltorganisationen schon immer auf die Gefährlichkeit des Mittels hingewiesen haben, hatte es sämtliche Tests rund um den Globus bestanden.
Ablehungsfront bröckelt
Durch den Ausstieg von VW dürfte die Front der Befürworter weiter bröckeln. Branchenkreisen zufolge ist es nun am VDA nach einer möglichst einvernehmlichen Lösung für die deutschen Hersteller zu suchen. Die Arbeitsgruppe Kältemittel prüfe das Thema noch, teilte der Verband auf Nachfrage der Automobilwoche mit. Auch für die EU-Behörden und das Kraftfahrtbundesamt dürfte es mit dem Urteil von VW im Rücken leichter werden, eine Entscheidung zu treffen. Vor allem Daimler läuft die Zeit davon. Die Stuttgarter haben sämtliche neue Modelle gesetzeskonform zum ersten Januar 2011 mit dem neuen Kältemittel zugelassen. Davon betroffen sind vor allem die neue A- und B-Klasse. Wenn die Stuttgarter zum alten Mittel bis zum Ende der Übrgangsfrist im Jahr 2017 zurückkehren wollen, brauchen sie dafür eine Genehmigung. Die anderen deutschen Hersteller Audi, VW und BMW haben bis dahin Aufschub, weil ihre Fahrzeuge noch mit R134a homologiert wurden.
Daimler hat den Behörden und verschiedenen Autoherstellern den Crash-Test live vorgeführt. Auch Chemie-Riese Honeywell gehörte dazu. Kurz danach teilte der Anbieter des Kältemittels mit, dass sich keine neuen Erkenntnisse ergeben hätten. Honeywell stehe voll und ganz hinter dem sicheren Einsatz von R1234yf. "Das Testverfahren wurde nicht durch eine anerkannt dritte Partei, etwa ein spezialisiertes Institut begleitet", so der US-Lieferant. Die Autohersteller haben sich bislang bedeckt gehalten und lediglich mitgeteilt, den Sachverhalt prüfen zu wollen.
Suche nach Alternativen
Mit dem Ausstieg von Daimler und VW hat die Suche nach alternativen Kältemitteln begonnen. Während die Stuttgarter alle Optionen - sowohl fluorbasierte chemische Mittel als auch das natürliche Gas CO2 prüfen - hat VW-Patriarch Piech mit seinem Votum für CO2 bereits die Richtung in Wolfsburg vorgegeben. Allerdings ist die Verwendung von CO2 aufwendig und ebenfalls nicht unumstritten: Die Klimaanlagen müssen viel höhere Drücke aushalten, was wiederum ein Risiko darstellt. Außerdem ist CO2 als Kältemittel in einigen US-Staaten sogar verboten. Denn entweicht es ins Fahrzeuginnere, kann der Fahrer schon bei vergleichsweise geringen Konzentrationen ohnmächtig werden und sogar ersticken. Der VDA gibt den Mehrpreis für eine CO2-basierte Klimaanlage mit rund 200 Euro an.
Quelle : Automobilwoche